„Tous les changements, même les plus souhaités ont leur mélancolie, car ce que nous quittons, c’est une partie de nous-mêmes; il faut mourir à une vie pour entrer à une autre.“ (Alle Veränderungen, sogar die Meistersehnten, haben ihre Melancholie, denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst. Wir müssen einem Leben Lebewohl sagen, bevor wir in ein anderes eintreten können.)
Anatole France
„An Kerb 2021, da ist Corona bestimmt vorbei!“ Das dachte unser heutiger Interviewpartner noch vor einem Jahr, als er seinen Besuch in Marienborn für dieses Jahr plante. Und nun? Ist die Kerb doch ein wenig anders verlaufen, als gedacht. Aber das, wofür er vergangenes Wochenende nach Marienborn gekommen ist, hat er natürlich gemacht…
Vom wem die Rede ist? Nun, hier schon einmal ein Bild zum Raten.
Das ist natürlich gemein, denn vor zwei Jahren hatte er noch keinen Bart. Die Rede ist von Pfarrer Peter Meyer, der sich vor zwei Jahren von Marienborn in die Lutherstadt Wittenberg aufgemacht hat, um seinen Traumjob im Zentrum für Evangelische Gottesdienst- und Predigtkultur anzutreten.
Nachdem er zusammen mit Gemeindereferent Harald Sieben am Kerbesonntag den ökumenischen Kerbegottesdienst abgehalten hatte, durften Jenny und ich ihn interviewen.
Wie geht es Dir in Wittenberg, Peter? Geht es Dir gut?
„Also, man nennt die Lutherstadt Wittenberg ja das evangelische Rom – oder auch die kleinste Metropole der Welt, und ja, mir geht es persönlich und auch beruflich sehr gut. Und wir – meine Frau und ich – hatten das große Glück, schon ein halbes Jahr vor Corona dort hin zu kommen und schon einmal warm mit der Stadt zu werden. Beruflich helfe ich den Leuten auf der Suche nach ihrem besten Ausdruck für ihr Predigen, und für die Art, wie die Gemeinde am besten Gottesdienst feiert.“
Und der Gottesdienst heute in Marienborn, wie hat sich das angefühlt? Wie ein Heimspiel?
„Es ist ja ganz klar, in Wittenberg predige ich in der großen Schlosskirche, in der auch oft Touristen sind. Das ist sehr viel „staatstragender“ als hier in MB. Da schaue ich einfach in ganz viele Gesichter, die ich kenne, ich kenne die Geschichten zu den Menschen, das ist schon etwas ganz anderes. Ich muss zugeben, dass ich zu Beginn kurz davor war, ein paar Tränchen zu verdrücken…“
Auf Deiner Abschiedsparty vor zwei Jahren hast Du gesagt: Ab sofort werde ich mehr Freizeit haben, jetzt möchte ich Gitarre lernen. Wie hat das denn so funktioniert?
„Jetzt ist die Zeit für Bekenntnisse (lacht). Das mit dem Gitarre-Spielen hat noch nicht geklappt. Aber: Seit 1.1. dieses Jahres lerne ich Französisch, und ich singe in einem Chor. Das habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gemacht, denn als Pfarrer hat man immer Abendtermine, ich hatte also nie Zeit für einen regelmäßigen festen Termin. Und jetzt singe ich in der Schola Cantorum Adam Rener, und was soll ich sagen: Die singen alle sehr viel besser als ich, aber ich habe einen Basskollegen, an den ich mich hängen kann… Das Repertoire ist sehr anspruchsvoll und oft über meine Grenzen hinaus, aber ich wachse daran.“
Geht es deiner Frau auch gut?
„Ja, ich glaube sie genießt es sehr, dass ich mehr Zeit habe, vor allem freie Wochenenden (was man als Gemeindepfarrer nie hat). Die Gegend rund um Wittenberg ist wirklich bezaubernd und es gibt vieles zu erwandern. Es gibt viel Ruhe (manchmal zu viel), und wir haben einen tollen Badesee in der Nähe.“
Wie fühlt es sich denn im politischen Sachsen-Anhalt an?
„Im Wittenberg bekommt man von Rechtsradikalismus nicht so sehr viel mit, aber auf den Dörfern ist das schon sehr viel präsenter. Von der Kultur in Sachsen-Anhalt verstehen wir im Westen nicht so viel, und erst jetzt, wo ich manche Lebensgeschichten von Menschen aus Sachsen-Anhalt kenne, kann ich viel besser nachvollziehen, warum sie so sind, wie sie sind. Alles hat sich für diese Menschen nach der Wende geändert, ihre ganze Kultur musste zurückweichen. Es gibt keine einfachen Antworten auf diese Problematik und ihre Auswirkung, und es gibt leider immer weniger junge Menschen hier… alle müssten sich mutiger aufmachen und wieder an Orte wie Wittenberg ziehen.“
Aber es ist schon so, dass Du uns Marienborner ein wenig vermisst?
„Ich vermisse sie sehr. Ich vermisse die Gemeinschaft und die Herzlichkeit und die kurzen Wege. Es ist ja nicht so, dass alles gut und in perfekter Harmonie in Marienborn ist, aber es gibt doch sehr viele Menschen, die sehr ernsthaft versuchen, mit Unterschieden zusammen zu leben. Diesen Geist der Menschen untereinander, der fehlt mir doch sehr. Und ich vermisse die Kerb, das Gemeindefest, und ich vermisse das Bauwagencafé und all die Menschen, mit denen man sofort ins Gespräch kommt. Das ist in Wittenberg anders.“
Lieber Peter, vielen Dank für das Interview. Wir müssen Dich leider wieder ziehen lassen, aber es ist schön zu wissen, dass auch wir Marienborner unsere Spuren bei Dir hinterlassen haben und Du immer wieder mal gerne zu Besuch kommst.
Was fällt Dir zu den Buchstaben Marienborns ein, fragten wir Peter Meyer im Vorfeld? Hier seine Antwort: