Marienborn als Jagdrevier

„Es ist des Jägers Ehrenschild, dass er beschützt und hegt sein Wild.
Waidmännisch jagt wie’s sich gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.“

(aus Waidmannsheil, 1. Strophe, Oskar von Riesenthal, 1880)

Ich gebe zu: Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was das Thema Jagen anbetrifft, bevor ich mich mit Hugo Frohnweiler getroffen hatte. Herr Frohnweiler ist einer der drei Jäger, die sich das Jagdrevier in den Gemarkungen Marienborn und Bretzenheim teilen. Er nahm mich an einem sonnigen Herbstnachmittag mit auf eine Tour durch die Gemarkung Marienborn.

Ich bin eigentlich viel im Feld unterwegs, aber Rehe habe ich noch nie gesehen. Herr Frohnweiler zeigt auf eine Reihe Sauerkirschbäume (Delikatesse für Rehe!) und auf eine Hecke, die wie gerade geschnitten aussehen:

„Das waren Rehe. Sie knabbern die Triebe an den Ästen ab und „schneiden“ die Hecken in Kopfhöhe.“

Da ich keine Rehe gesehen hatte, gibt es als Beweis ein Foto aus dem Fundus von Hugo Frohweiler, Rehe vor der Kulisse des Hechtsheimer Industriegebiets:

Hugo Frohnweiler ist – wie viele Jäger – in seine Berufung hineingewachsen: Schon sein Vater und sein Großvater waren Jäger und haben ihm das Interesse an der Jagd in die Wiege gelegt. Seit über 40 Jahren ist er bereits in der Marienborner Gemarkung unterwegs – meist zweimal am Tag! Auf der Tour immer mit dabei: sein geschulter Hund, den ein Jagdpächter laut Gesetz immer vorhalten muss. So habe ich auch gleich Kyra kennengelernt.

Überhaupt, das Gesetz: Die Jagd ist streng reglementiert. Jäger werden kann nur, wer einen Lehrgang mit mehreren Prüfungen absolviert und somit einen Jagdschein – das sogenannte „Grüne Abitur“ erwirbt. Die Kosten für diesen belaufen sich aktuell auf etwa 3000 Euro. Wie die Ausbildung in Rheinland-Pfalz aussieht, kann hier nachgelesen werden. Auf einer Bildcollage hat mir Hugo Frohnweiler die verschiedenen Lizenzen seines Vaters gezeigt, auf denen außerdem schön zu sehen ist, dass Marienborn auch einmal im Freistaat Hessen bzw. Volksstaat Hessen gelegen hat.

Auf unserer Tour durch das Jagdrevier benutzte Hugo Frohnweiler zahlreiche Begriffe aus der Jägersprache, die ich natürlich nicht alle kannte. Auf meine Nachfrage, ob man denn heutzutage die Jägersprache überhaupt noch beherrschen müsse, sagte er fast bedauernd: Nein, eigentlich nicht. Früher war Jägersprache sogar ein Prüfungsfach, heute ist das aber nicht mehr so.


Herr Frohnweiler hat mich auch auf einen Hochsitz, den er selbst gebaut hat, mitgenommen. Der Hochsitz, so dachte ich, sei vor allem wegen der besseren Übersicht über das Gelände, da. Aber auch da irrte ich mich. Hugo Frohnweiler erklärt das so:

„Was passiert, wenn man einen Stein flach aufs Wasser wirft? Genau, er prallt ab. So kann das auch mit Gewehrkugeln passieren, wenn sie zu flach auf dem Boden auftreffen. Deshalb schießt man von oben, damit der Winkel nach unten steiler ist und die Kugeln nicht abprallen können und vielleicht etwas treffen, was man gar nicht treffen wollte.“

Überhaupt: Muss das Jagen sein? Und wer darf wo jagen?

Laut Gesetz darf jeder auf seinem Grundbesitz jagen, wenn die zusammenhängende Fläche mindestens 75 Hektar beträgt. Ist dies nicht der Fall (so wie in Marienborn), schließen sich die Grundbesitzer zu einer Genossenschaft zusammen. Die jagdbare Fläche in Marienborn beträgt übrigens rund 230 Hektar. Die Jagdgenossenschaft verpachtet das Jagdrecht für einen jährlich zu zahlenden Pachtzins.

Und wieso wird überhaupt gejagt?

Zum Beispiel deshalb: Wenn es durch Wildtiere (besonders durch Rehe oder Kaninchen) zu Schäden an Kulturpflanzen kommt, wird schwerpunktmäßig eingegriffen. Gejagt wird aber nachhaltig. Das bedeutet: Es wird nur so viel entnommen wie auch wieder zuwächst.

Denn es ist das, was Hugo Frohnweiler vor allem am Herzen liegt: Auf das Gleichgewicht in der Natur achten, sich an der Natur und ihrer Schönheit erfreuen und Naturschutz betreiben.

Dazu gehört für ihn zum Beispiel auch das Aussähen einer Blühwiese mit einer „Wildmischung“, ähnlich der Blühwiese der Familie Mossel. Ebenfalls dazu gehört für ihn, immer den aktuellen Tierbestand im Blick zu haben. Dafür wird in der Dunkelheit mit Hilfe einer Wärmebild-Nachtsichtkamera der Bestand gezählt und in einer Tabelle dokumentiert. So weiß er ganz genau, dass der Hasenbestand in diesem Jahr aufgrund von Krankheiten so gering ist, dass Hasen in dieser Saison in Marienborn nicht gejagt werden.

Das Zählen mit Wärmebildkamera durfte ich dann auch gleich machen – mehr schlecht als recht, weil ich viel zu wenig Hasen gezählt hatte als eigentlich an bestimmten Stellen hätten vorhanden sein müssen. Wäre ich eine Jungjägerin, die ihre Ausbildung bei ihm mache, so Hugo Frohnweiler, würde er mich noch sehr viel üben lassen müssen. Wie das Zählen mit der Wärmebildkamera funktioniert, kann man auf diesen Bildern sehen, die Herr Frohnweiler einen Tag später zusammen mit einem Jagdfreund mit einer Wärmebild-Fotokamera gemacht hat.

Die Traditionspflege nimmt neben Natur-, Tier-, Umweltschutz einen weiteren Raum unter all den Aufgaben und Zielen des Jagens ein. Es gibt das berühmte Jägerlatein, Jagdlieder, viele berühmte klassische Musikstücke, in denen die Jagd thematisiert wird (zum Beispiel in Friedrich Smetanas Moldau) und natürlich auch Jagdgesellschaften.

Hugo Frohnweiler hat mir ein Foto einer solchen Jagdgesellschaft (um 1910 herum) überlassen, die sich in seinem Elternhaus Im Borner Grund anlässlich der Abschlussfeier zur bestandenen Jägerprüfung getroffen hatte. Wie in vielen anderen Vereinen und Verbänden sei es aber auch unter Jägerinnen und Jägern so, dass die Traditionspflege immer mehr abnehme.

Es gäbe noch sehr viel mehr zu erzählen, was aber den Platz in diesem Blog sprengen würde: So gab es in der Katholischen Kirche unter Pfarrer Hasenfuß viele Jahre lang einmal im Jahr eine Hubertusmesse. Und es gibt Prüfungen für Jagdhunde, bei denen Hugo Frohnweilers Hund viele Pokale und Medaillen gewonnen hat.

Vielen Dank an Hugo Frohnweiler für den interessanten Einblick in eine für mich völlig unbekannte Welt. Ich werde ab sofort mit ganz anderen Augen durch die Gemarkung laufen und an bestimmten Plätzen, die ich an dieser Stelle aber nicht verraten werde, Ausschau nach den Rehen, die ich noch nie im Feld gesehen habe, halten.

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