Der geheime Garten


„Wenn du nur richtig hinschaust, kannst du sehen,
dass die ganze Welt ein Garten ist.“

– Frances Hodgson Burnett aus „Der geheime Garten“

In Marienborn gibt es einen geheimen Garten.

Eigentlich ist er gar nicht so geheim, denn jeder, der es schafft, im Reulchen über die alte Steinmauer zu schauen, kann ihn entdecken. Auch ich habe schon öfter neugierig über die Kante gelinst und mich gefragt, wer sich wohl um diesen schönen Garten kümmert…

Das ist Christian Schneider. Bereits seit 2015 pflegt und hegt er den knapp 800qm großen Grünstreifen, der sich zwischen der katholischen Kirche und der ehemaligen Zehntscheune befindet. Da der Garten in einer Senke liegt und zum Reulchen hin von einer Steinmauer begrenzt wird, ist er nicht direkt sichtbar. Wer ihn sehen möchte, muss entweder groß sein oder leicht, um den Garten vom elterlichen Arm oder von Papas Schultern aus zu bestaunen. Und wenn Christian zur gleichen Zeit im Garten werkelt, entstehen sogar nette Gespräche:


„Ich hatte einmal eine wunderbare Kommunikation mit einem kleinen Mädchen. Sie saß auf den Schultern ihres Papas und wir kamen ins Gespräch. Wir haben uns bestimmt eine viertel Stunde über den Garten unterhalten, bis sie „Tschüss, Garten“ sagte und mit ihrem Papa wieder weiterzog.“


Der Garten und diese Kommunikation „an der Mauer“ haben mitunter dazu geführt, dass er sich in Marienborn so heimisch fühlt. 1983 kam der gebürtige Bad Homburger damals der Liebe wegen nach Mainz und siedelte 1990 nach Marienborn. Gemeinsam mit seiner Frau wohnt er in der Gottfried-Schwalbach-Straße 33, im Dachgeschoss des ehemaligen Haus der Englischen Fräulein, über das wir bereits berichtet haben.

Christian kommt fast jeden Tag hierher – nach eigenen Angaben an mindestens 200 von 365 Tagen im Jahr:


„Das ist das Erste was ich am Tag mache: Ich gehe in den Garten, ob es im Winter oder im Sommer ist – bei gutem wie bei schlechtem Wetter. Und im Sommer bin ich sogar schon zum Sonnenaufgang hier.“


Er betrachtet den Garten als seinen Rückzugsort in die Toscana. Und tatsächlich erinnern das Gemäuer, die Sonne und das Olivenbäumchen an einen Ausflug in den europäischen Süden. Allerdings wird es hier nie so richtig heiß, da die warme Luft über den tiefer gelegenen Garten hinweg weht.

Auf der einen Seite sitzt man sonnig und warm. Blickt man allerdings aus der Mitte des Gartens in Richtung St. Stephanskirche hat man das Gefühl, man sei in einem Wald: alles ist verwachsen und wild.


„Ich wollte keinen perfekten Garten, sondern einen wilden! Ich lasse viele Dinge stehen, die andere längst rausgeschmissen hätten. An einer Stelle lasse ich den Garten in seiner Wildnis und an einer andere gebe ich ihm eine gewisse Form. Das Prinzip ist aber, dass sich der Garten permanent verändert und viele Dinge, die ich hier mache, passieren spontan. Ich bin eben ein spontaner Mensch!“


Der Hobbygärtner probiert viel aus. Ganz nach dem Motto ‚Mal gucken, was wird‘ hat er beispielsweise den Sommerflieder etliche Male umgesetzt, bis dieser seinen perfekten Platz gefunden hat.

Seiner Spontanität verdankt er es auch, dass ihm vor sieben Jahren der Garten anvertraut wurde. Nachdem er des öfteren gesehen hatte, dass sich niemand um die Grünanlage kümmerte, klopfte er eines Tages einfach bei der Besitzerin an.


„Ich kannte die ältere Dame aber auch von früher, wir waren einmal Nachbarn gewesen. Ich dachte, ich frage sie mal, ob ich mich um den Garten kümmern darf. Und so bin ich an den Garten gekommen.“


Seither pflegt und hegt er seinen Paradiesgarten mit viel Liebe. Einen Schatz hat Christian hier noch nicht bergen können, aber einen Apfelbaum. Dieser war damals über und über mit Lianen behängt und auf den ersten Blick nicht als Baum zu erkennen. Als Christian jedoch genauer hinschaute, sah er „seltsame rote Punkte zwischen dem Gestrüpp“ und wurde neugierig. Es waren Äpfel! Einmal die Lianen entfernt, trägt der Baum auch heute noch regelmäßig Früchte. Daneben haben Christian und seine Frau auch schon Brombeeren, schwarze und rote Johannisbeeren, Stachelbeeren, Zucchini, Feigen, Tomaten und Kartoffeln geerntet. Seine neueste Errungenschaft ist ein Blütenbasilikum, dessen Blüten nicht nur unfassbar gut riechen, sondern auch zur Teezubereitung gepflückt werden können!

Tomatenzucht

Ein wenig Kunst findet man in Christians grüner Oase auch: Dinge, die er vorerst nicht braucht, finden eine kreative Verwendung als Holzstillleben, Astturm oder Balkeninstallation. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

„Ich hatte schon mal überlegt, einmal die Woche die Tür zu öffnen und hier im Garten eine Art ‚Gartenkaffee‘ zu veranstalten. Das kennt man aus dem Norden. Mal sehen…“

Auf jeden Fall war der Kaffee, den ich an diesem sonnigen Tag bekomme habe sehr lecker und der Garten ein Genuss! Vielen Dank, lieber Christian!

5 Comments

  1. Zauberhaft! Und das ist er schon immer für uns gewesen. Für meine Familie ist der/das? Reulchen der Drachengang. Der Drache schläft im Garten daneben, ein lieber natürlich. Kein Weg hierdurch, ohne einen Blick flüsternd über die Mauern zu werfen. Das ist für uns eine sehr schöne Erinnerung, als die Mädels klein waren… <3

  2. Pingback: Unsere Gärten
    1. Ich kann gut verstehen, dass das dein Lieblingsgarten ist! Er ist einfach ein zauberhafter Ort! Ich freu mich, dass dir der Bericht gefallen hat. Viele Grüße.

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